
Houellebecq provoziert arabische Intellektuelle
Unverbesserlicher
Provokateur aus Langeweile?
 Kairo
(rpo). Der Skandalroman "Plateform" des französischen
Autors Michel Houellebecq hat in der arabischen Welt zu Protesten
und Selbstkritik geführt. Intellektuelle warfen dem Schriftsteller
vor, er mache sich über den Islam lustig und wolle in erster
Linie die Auflage seiner Bücher steigern.
Er heißt Michel, ist vierzig und ein farbloser Beamter. Wie
alle traurigen Romanhelden von Michel Houellebecq leidet Michel
an der Mittelmäßigkeit und Lustfeindlichkeit der westlichen
Welt. "Plateforme" heißt das in Frankreich erschienene
neue Buch des 43-jährigen Autors, dessen provozierender Inhalt
und zynischer Stil an seine früheren Werke ("Elementarteilchen",
"Ausweitung der Kampfzone") erinnern.
Und auch diesmal wieder bringen seine Vulgaritäten und rassistische
Äußerungen Menschenrechtsorganisationen, Feministinnen
und sogar die islamische Welt auf die Barrikaden. Seit Tagen rätseln
Frankreichs Feuilletonisten über das Phänomen Houellebecq:
"Wer ist dieser Autor? Ein zweiter Rushdie oder einfach nur
ein unverbesserlicher Provokateur aus Langeweile?"
Houellebecq ist ein zynischer Beobachter der Gesellschaft und schockiert
nur allzu gern. "Ich provoziere gerne, vor allem wenn ich mich
langweile. Ich bin begabt für Beschimpfungen und Provokationen.
Das bringt etwas Würze in meine Romane", erklärte
der in Irland lebende französische Autor.
Houellebecq: Islam entstand im Stumpfsinn der Wüste
Doch diesmal bereitet ihm sein Rezept viel Ärger. Denn in
dem 369 Seiten langen Werk lässt er sich nicht nur begeistert
über Sextourismus aus, sondern greift - über seinen Protagonisten
Michel schonungslos den Islam an: "Der Islam konnte nur im
Stumpfsinn der Wüste entstehen, inmitten dreckiger Beduinen,
die nichts anderes zu tun hatten, als ihre Kamele zu ficken... Niemals,
solange der Islam existieren wird, kann Eintracht auf der Welt herrschen."
Grund zu diesem verbalen Exzess ist die Romanfigur Valérie,
die bei einem Bombenanschlag gegen eine Touristenbar in Thailand
ums Leben kam. Der Anschlag zielt in dem Buch auf eine frisch eingeweihte
Feriensiedlung in Südthailand ab, die mit Sextourismus wirbt.
Urheber dieses Attentats lässt der Autor islamische Terroristen
sein, die diesen Sündenherd auslöschen wollen. "Der
Islam hatte mein Leben zerstört. Jedes Mal, wenn ich erfuhr,
dass ein palästinensischer Terrorist, ein palästinensisches
Kind, eine schwangere palästinensische Frau im Gazastreifen
abgeknallt wurde, verspürte ich ein Aufzucken der Begeisterung
bei dem Gedanken, dass es einen Muslim weniger gab", sagt der
Romanheld Michel nach dem Tod der Französin, die er auf der
Pauschalreise nach Thailand kennen- und liebenlernte.
Über diese diskriminierenden Äußerungen der literarischen
Figur Michel hätte die islamische Gemeinde vielleicht noch
hinweggesehen. Als Houellebecq jedoch in einem Interview mit der
Literaturzeitschrift "Lire" erklärte, die dümmste
Religion sei wohl der Islam, überschritt er deren Toleranzschwelle.
Wegen "Anstiftung zum Rassenhass und zur religiösen Gewalt"
wollen die Große Moschee in Paris und Lyon gegen den ausgebildeten
Diplomlandwirt nun gerichtlich vorgehen. Houellebecq scheint die
Affäre gleichgültig zu lassen. Er wies jedoch darauf hin,
die Romanfigur nicht mit dem Autor zu verwechseln.
Ein Zweiter Fall Rushdie?
Houellebecq könnte ein zweiter Fall Rushdie werden. Jean-Marc
Varaut, Anwalt der Großen Moschee in Paris, will vorerst kein
Verbot des Buches fordern. Er sieht in der Klage eine Art Vorsichtsmaßnahme:
"Wir gehen vor Gericht, um eine Fatwa zu vermeiden". In
einer Fatwa, einem religiösen Urteil, hatte 1989 der damalige
iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini zur Ermordung
des in England lebenden Autors Salman Rushdie aufgerufen wegen dessen
als gotteslästerlich empfundenen Romans "Die satanischen
Verse".
Houellebecq provoziert in seinem Roman immer wieder. So schwärmt
der mittlere Staatsbeamte Michel, der regelmäßig nach
Büroschluss in Peepshows geht, vom Sextourismus: "Auf
der einen Seite hast du mehrere Millionen Westler, die alles haben,
was sie wollen, nur dass sie keine sexuelle Befriedigung mehr finden.
Auf der anderen Seite gibt es mehrere Milliarden Menschen, die vor
Hunger sterben, die nichts mehr zu verkaufen haben als ihren Körper
und ihre intakte Sexualität. Das ist die ideale Tauschsituation."
Moralisten und Feministinnen sehen in Houellebecq einen Sexbesessenen,
der die weibliche Würde und die Menschenrechte verletzt. Doch
den Autor lassen auch diese Vorwürfe gleichgültig: "Ich
stehe dazu. Die Prostitution finde ich gut. Das ist ein Beruf, der
gar nicht so schlecht bezahlt ist...." Der Wirbel um das Buch
hat sich auch für den Autor gelohnt. In Frankreich wurden bereits
mehr als 290.000 Exemplare von "Plateforme" verkauft,
Übersetzungen in elf Sprachen sind nach Verlagsangaben geplant,
allerdings nicht ins Arabische. Die deutschen Übersetzungsrechte
gingen an den Kölner Dumont Verlag. Mit einem Erscheinen sei
im kommenden Frühjahr zu rechnen, so der Verlag.
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